Gewaltlosigkeit heißt
nicht Tatenlosigkeit!
„Es gibt keine Alternative zum Krieg !“ versichern dieser Tage unisono
Politiker und Meinungsmacher aller Couleur. „Krieg ist ungerecht und grausam.
– Aber was sollen wir sonst tun gegen den Terror ?“, fragen viele Menschen.
Zugleich stellt nicht nur die Boulevardpresse Kriegsgegner als hilflose
Pazifisten dar, die dem internationalen Terrorismus mit Appellen und Friedensgesängen
beikommen wollen.
Vor Beginn des Krieges war es Gemeingut, dass es als Antwort auf die
Verbrechen vom 11. September vielfältiger diplomatischer, politischer,
wirtschaftlicher und entwicklungspolitischer Anstrengungen bedarf. Militärische
Aktionen seien nur ein kleiner, bei weitem nicht der wichtigste Aspekt
der Terrorismusbekämpfung meinten auch die Bundesregierung und die
Bush-Administration.
Wie also könnte ein alternatives Vorgehen aussehen ? Einige Beispiele:
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Zentrale Bedeutung kommt der Aufrechterhaltung einer möglichst umfassenden
internationalen Antiterrorkoalition zu, um die Terroristen zu isolieren
und ihre bisherigen Helfer durch politischen Druck und wirtschaftliche
Anreize zur Einstellung ihrer Unterstützung und zur Auslieferung der
Terroristen zu bewegen.
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Im Rahmen der internationalen Antiterrorkoalition kann eine intensivierte
Kooperation der Polizei- und Strafverfolgungsbehörden und ein verbesserter
Informationsfluss zwischen den Nachrichtendiensten ein weltweit koordiniertes
Vorgehen bei der Entdeckung und Zerschlagung terroristischer Strukturen
gewährleisten. Zur Aburteilung der Täter ist die Errichtung des
(von den Vereinigten Staaten weiter heftig bekämpften) Internationalen
Strafgerichtshofs entschlossen voranzutreiben.
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Neben dem gezielten Zugriff auf Terroristen gilt es, die Finanzierungswege
des internationalen Terrorismus aufzudecken und lahmzulegen. Das erfordert
eine wirksame, international koordinierte Bankaufsicht sowie politischen
Druck zur weltweiten Durchsetzung strenger Geldwäschevorschriften.
Außerdem ist eine drastische Einschränkung des internationalen
Waffenhandels erforderlich, um Terroristen und ihren Unterstützern
den Waffennachschub abzuschneiden.
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Armut und Perspektivlosigkeit, schwelende Regionalkonflikte, Ungerechtigkeit
und Unterdrückung erleichtern skrupellosen Terroristen ihr Handwerk
und ihre Rekrutierung. Eine langfristig wirksame Strategie gegen den Terrorismus
muss hier ansetzen. Wir brauchen daher diplomatische Initiativen zur friedlichen
Konfliktbeilegung, insbesondere im Nahen Osten. Außerdem muss die
Entwicklungshilfe aufgewertet werden: ein Bruchteil der jetzt für
Bomben verausgabten Mittel könnte viel bewirken gegen Hunger, Armut
und Hoffnungslosigkeit in der Welt.
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Überdies bedarf es innergesellschaftlich wie international einer offensiven
Diskussion um die Verteidigung und Durchsetzung von Bürgerrechten,
Grundfreiheiten und Toleranz als Basis einer multiethnischen und multireligiösen,
auf Achtung der Menschenrechte und Gleichberechtigung der Geschlechter
gegründeten Weltgesellschaft, durch die Intoleranz und Fanatismus
der Boden entzogen wird.
Es zeigt sich also: Gewaltlosigkeit heißt nicht Tatenlosigkeit !
Die vorgeschlagenen Maßnahmen können keinen schnellen Erfolg
im Kampf gegen den Terrorismus garantieren. Gleiches gilt aber auch für
die militärischen Strategien: nicht ohne Grund werden wir auf einen
langen Krieg ohne klar definierbares Ende eingestimmt. Eine „militärische
Lösung“ des Terrorismusproblems ist nicht erkennbar. Die Erfahrungen
aus anderen Konflikten sprechen vielmehr gegen das Szenario eines militärischen
Sieges über den Terrorismus. Im Gegenteil droht der Krieg die Terroristen
zu Helden und Märtyrern zu stilisieren und durch das ungerechte Leiden
der Zivilbevölkerung neuen Hass und neuen Terror zu befördern.
Das Denken in politischen Alternativen war immer die Stärke
von Bündnis 90/DIE GRÜNEN. Diese Stärke sollten wir auch
heute pflegen, anstatt uns der Mantra der angeblichen Alternativlosigkeit
des Krieges anzuschließen, die bislang noch jeden Krieg begleitet
hat.
Jens Kendzia
(Sprecher BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN KV Bonn)
GRÜNE FRIEDENSZEITUNG
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