Die Interessensallianz  für Absatzmärkte und Erdöll

Deutschland und die Bundeswehr weltweit im Einsatz

Die friedliche und demokratische Zukunft Afghanistans liegt noch im Nebel der Berge am Hindukusch verborgen. Die Stunde der Strategen in den Militär- und Finanzschaltzentralen der westlichen Welt ist aber schon längst gekommen. Zahlreiche Staaten - wie auch die Bundesrepublik - haben einen Blick auf die in der Region reichlich vorhandenen Bodenschätze geworfen. 

Es geht aber noch um mehr als die bloße Partizipation im Verteilungsstreit. Wenn in Zentralasien - wie geschätzt - rund 250 Milliarden Barrel Öl liegen, braucht es eine stabile, westlich dominierte Ordnung, die sowohl die Verfügungsgewalt als auch sichere Transportwege garantiert. 

Die politische Antiterrorallianz ist, neben den USA,  ein Bündnis der "eurasischen Landmasse" (Zbigniew Brzezinski, US-Außenpolitikexperte), in der sich nach dem Wegfall des Einflusses der ehemaligen Weltmacht Sowjetunion deshalb neue Notwendigkeiten und Konstellationen ergeben. Insofern ist es fast schon zynisch, dass der grauenhafte Terroranschlag von New York jetzt unter militärstrategischen Aspekten nicht nur den USA die Chance bietet, die seit langem aus ihrer Sicht ordnungsbedürftigen Machtverhältnisse in Zentralasien neu zu regeln. Dabei haben aber auch die Europäer und Deutschland machtstrategische Interessen die nicht zu unterschätzen sind. Bereits in diesem Frühjahr (FAZ 15.5.2001) beschrieb Achim Schmillen, enger Mitarbeiter und Leiter des Planungsstabs von Außenminister Joschka Fischer, die deutsche und europäische Interessenslage am Hindukusch. „Wenn die europäische Integration und die NATO-Erweiterung den erwarteten Weg nimmt, wird es bald nur noch einen Raum mit einem einheitlichen Willen zwischen Europa und der Region geben, nämlich die russische Föderation. Jede Instabilität  in der Region Zentralasien wird unmittelbare Auswirkungen auf die europäische Politik haben... Die Instabilität der Transformationsperiode, ethnische und religiöse Unterschiede, die wachsende Korruption und ein rascher Wettbewerb um Naturvorkommen stellen die Konfliktpunkte der Region dar.“ 
Da es sich aus Schmillen`s Sicht bei Afghanistan und seinen Nachbarstaaten  „um die ‚natürliche Kommunikationsbrücke’ zwischen Zentralasien, Südasien, China und dem Westen handelt“ und „die größte Gefahr für die Region vom militanten islamischen Fundamentalismus ausgeht“ liegt für ihn die Konsequenz auf der Hand: “Das Interesse Europas muss deshalb darin bestehen, sicherzustellen, dass die Region stabilisiert wird.“ 

Kampf um Vormachtstellung und um Erdöl

Der Kampf  um die ökonomische Hegemonie und um  politischen und religiösen Einfluss in der Region könnte aber auch zu einem neuen „great game“ führen, wie dies bereits im 19. Jahrhundert dort stattgefunden hat. Die beschriebenen Aussichten auf langfristige Gewinne im Öl- und Gasgeschäft, die Sicherung der Absatzmärkte für deutsche Unternehmen in einer Region, in der die Karten nicht nur durch die drohenden Militäreinsätze dauerhaft neu gemischt werden, kann ohne Frage ein Motiv der Bundesrepublik sein, sich an der Militäroperation „Enduring Freedom“ zu beteiligen. Im Gegensatz aber zur Situation im von amerikanischen Sanktionen betroffenen Iran, wo deutsche Unternehmen rege Aktivität in einem der lange als „Schurkenstaat“ definierten Mächte der Region entfalten und rund 400 deutsche Unternehmen auf dem dortigen Markt ohne amerikanische Konkurrenz aktiv sind, gibt es hier möglicherweise zukünftig eine schwierigere Ausgangslage. Lukrative Geschäfte verspricht sie aber für die Beteiligten allemal.

Es gibt aber zudem auch noch einen weiteren bedeutenden geopolitischen Faktor, der für die Entwicklung der Region von Bedeutung ist. Die zentralasiatischen Staaten haben keinen Zugang zum Meer, was insbesondere für den Abtransport des in Aserbaidschan und Turkmenistan reichlich vorhandenen Erdöls ein Problem ist. Die wirtschaftlich interessante Pipeline-Trasse läuft nicht durch den politisch schwierigen Iran sondern durch Afghanistan über Pakistan an den Indischen Ozean. 

Unter Beteiligung der US- amerikanischen Firma „Unocal“ sollte bereits eine 1600 km lange Pipeline von Turkmenistan bis nach Pakistan  gebaut werden. Seit 1995 gab es zudem das Bestreben der Staaten Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Usbekistan, das Projekt einer zentralasiatischen Gaspipeline zu realisieren. Vom kaspischen Meer sollte diese möglicherweise bis nach Indien führen, um die dortigen Erdgas-Märkte zu erschließen. Beide Projekte scheiterten in den Jahren 1998 und 1999 an diversen Widerständen in der Region und divergierenden Interessenlagen der Beteiligten. Die „Unocal“ wartet, wie auch viele Anbieter westlicher Staaten, weiterhin darauf, das Projekt zu realisieren.

In diesem Zusammenhang wurde, was die Sicherung einer Pipeline- Route durch Afghanistan und Pakistan anbelangt, im Januar diesen Jahres vom Auswärtigen Amt Handlungsbedarf angemeldet und im Rahmen von Außenminister Fischers Zentralasien-Reise im Frühjahr eine konzertierte Planung mit den USA, Russland und China angeregt. Aber nicht nur um Öl und Gas geht es. In Usbekistan werden jährlich 50 Tonnen Gold geschürft, in Tadschikistan gibt es das größte Silbervorkommen der Welt, in Kirgisien gibt es riesige Uranvorkommen, Kasachstan verfügt über große Erdölvorräte.

Maß des Mitwirkens bestimmt Einfluss der BRD

Und hier treffen sich wirtschaftliche und machtpolitische Interessen. Es geht nicht nur darum, das russische Monopol für die Energierohstoffe aus Zentralasien zu brechen, sondern auch darum, einen geographisch breiten Sicherheitsgürtel um die Länder am Persischen Golf zu ziehen, dem größten Erdölzentrum der Welt.

Die weiter im Raum stehende Unklarheit über die tatsächlichen Anforderungen an die deutsche Militärbeteiligung macht deutlich, dass die Bundesrepublik hier bereit ist große Risiken auf sich zu nehmen, um zukünftig auch militärisch mitzumischen. Niemand weiß, wie diese Militäroperation in einem bislang vollkommen unbekannten Gebiet mit unklarem Ausgang beendet wird. Doch die militärische Beteiligung Deutschlands stellt nicht nur einen Beitrag im Kampf gegen den internationalen Terrorismus dar, sondern vor allem auch „eine langfristige Investition in die Absatzmöglichkeiten deutscher Unternehmen in der eurasischen Landmasse“ (Brzinski). Deutschland ist wieder weltweit dabei - und vielleicht können sich auch deutsche Unternehmen nach siegreicher Beendigung des Afghanistan-Krieges  bald an dem Firmenkonsortium zum Bau einer Erdöl- Pipeline beteiligen. Oder wie es Ewald Stein im Handelsblatt am 14. November schreibt: „...der nach den Anschlägen vom 11. September  gestartete Krieg (dürfte d.V.) alsbald nur noch eine Episode sein, an die man sich freilich mit Grauen erinnern wird.“

Rüdiger Sagel
(Landtagsabgeordneter BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN NRW)
Carsten Peters
(BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN NRW KV Münster)

GRÜNE FRIEDENSZEITUNG