Den Terror bekämpfen!
Den Krieg beenden!

„In sechs Monaten wird diese Gräueltat für einen großen Teil der Welt nur noch Geschichte sein, während jedes neue Fernsehbild von einem getroffenen Krankenhaus, von durch Minen verkrüppelte Kinder, von Flüchtlingen den Hass unserer Gegner stärken, die Reihen der Terroristen füllen und neue Zweifel bei unseren Unterstützern säen wird.“

Dies schreibt Sir Michael Howard, einer der bekanntesten britischen Historiker schreibt über die Anschläge des 11. September.

Die Terroristen verfügen über ein international verzweigtes Organisations- und Finanznetz. So lernten die Täter der grausamen Anschläge vom 11. September in Deutschland und in den USA das Fliegen. Ob sie jemals eines von Bin Ladens Terroristenausbildungslagern in Afghanistan besucht haben, ist nicht bekannt. Wenn Bin Laden der Drahtzieher ist, benötigten sie wohl am meisten sein Geld, aber das kann man mit Bomben nicht vernichten.

Durch die Vertreibung der Taliban aus wichtigen Städten hat sich die Hoffnung genährt, der Krieg könne das grausame Taliban-Regime beseitigen. Doch sie kontrollieren noch den Teil des Landes, in dem zwei Drittel der Menschen leben und ein langer Guerillakrieg ist zu befürchten. Zweifelhaft ist auch, ob die neuen Machthaber besser sind. Dazu sagt die viel zitierte indische Schriftstellerin Arundhati Roy, dass „die Taten der Nordallianz sich von denen der Taliban nicht sonderlich unterscheiden.“ Die Nordallianz sei ein „brüchiger Verband brutaler Kriegsherren, Ex-Kommunisten und unbeugsamer Kleriker.“ Zur Strategie der USA schreibt sie zornig: “Erst heißt es: Unterstützt Saddam Hussein, dann: Schafft ihn beiseite; erst: Finanziert die Mudschahedin, dann: Zerbombt sie in tausend Stücke; jetzt also: Setzt Zahir Schah ein und wartet ab, ob er artig ist.“

„Zum Wesen des Krieges gehört es vor allen Dingen, dass es auch unschuldige Opfer gibt. Oft werden, wie wir wissen, die Ungerechten zuletzt getroffen; es werden viele Gerechte getroffen.“ Recht hat Joschka Fischer, als er dies am 8.11. vor dem Bundestagsplenum gesagt hat. So ist denn auch die Liste der so genannten „Kollateralschäden“ des Bombenkrieges entsetzlich lang.

Die ohnehin schon schlimme Flüchtlings- und Ernährungssituation hat sich durch den Krieg noch erheblich verschlechtert. Auch wenn sich die Situation im Norden durch die Vertreibung der Taliban entspannen kann, so verschlechtert auch 4 Tage nach der Befreiung von Kabul sich die humanitäre Lage weiter. Es fehlt an Lebensmitteln, Stromversorgung und Infrastruktur.
Jährlich sterben in Afghanistan etwa 1.000 Personen durch Minen oder nicht explodierte Sprengkörper. Darin sind diejenigen Opfer, die „nur“ einen Arm oder ein Bein verloren haben, noch gar nicht eingerechnet. Die Zahl der Opfer wird sich nach Angaben des Auswärtigen Amts durch die US-Angriffe erhöhen, da statistisch ca. 10-30% aller Bomben nicht explodieren.

Am 11. September habe sich die Welt geändert, heißt es überall. Aber die Antworten sind die alten: Bombenkrieg und Unterstützung fragwürdiger Kräfte. Hingegen wird eine schnellere Stilllegung der Atomkraftwerke oder die Bekämpfung der Proliferation atomwaffenfähigen Materials überhaupt nicht diskutiert. Der erste Anschlag auf das World Trade Center von 1993 hat gezeigt, dass man die Täter ohne Krieg fassen kann, denn sie sind in New York, Ägypten und Pakistan verhaftet worden. Sicherheit vor neuen Attentaten gibt das allein natürlich nicht. Dazu müsste der Boden ausgetrocknet werden, den die Terroristen für ihre eigenen, ganz anderen Ziele skrupellos benutzen. Terror wird vor allem dadurch gefördert, dass, wie es ein ehemaliger russischer General ausgedrückt hat, auf der Welt „eine Minderheit im Schatten einer vegetierenden Mehrheit in Saus und Braus lebt.“

Besonders fragwürdig ist es, wenn die deutsche Teilnahme noch nicht einmal durch militärische Notwendigkeiten (die es nicht gibt), sondern durch den Wunsch, den außenpolitischen Einfluss zu vergrößern, begründet wird. Deutschland agiert militärisch nicht im Rahmen der EU, sondern schickt sich an, mit Großbritannien und Frankreich gewissermaßen in der ersten Reihe zu sitzen. Frankreich spielt allerdings nur die zweite Geige, man erinnert sich im weißen Haus wohl noch daran, dass der französische Präsident damals gegen einige Bombenziele Einspruch angemeldet hat. Es wäre fatal, wenn sich in dem angekündigten „langen Krieg“, der später auch andere Länder treffen wird, Deutschland als Partner, der keine kritischen Fragen stellt, etablieren würde. Echte Solidarität muss zugleich auch eine kritische Solidarität sein! Der Friedensnobelpreisträger Willy Brand hat dazu gesagt: „Auch mächtige Freunde nicht im Stich zulassen, wenn sie ernste Probleme haben, ist eine Sache, sich mit ihnen nicht zu solidarisieren, wenn sie eine falsche Politik verfolgen, ist eine andere.“

Parteibeschlüsse können den Krieg nicht stoppen. Wir wissen aber, dass in einem demokratischen Land die öffentliche Meinung und die Haltung der Parteien für die politische Entscheidungsfindung eine große Rolle spielt. Deshalb ist es nicht unwichtig, welche Haltung sie einnehmen. Wir wollen nicht, dass durch den vom Parlament ausgestellten Blankoscheck, der weder Ort noch Zeit, noch Ziel des Bundeswehreinsatzes festgelegt hat, eine gefährliche Entwicklung vorangetrieben wird, nach der wir letztlich jeden Krieg aus Gründen der Bündnistreue oder gar der außenpolitischen Einflusssteigerung unterstützen.

Stefan Riese
(Vorstandsmitglied BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN, KV Münster)

GRÜNE FRIEDENSZEITUNG